In Backnang wird neue Qualität der Berufsbildung erreicht
Wir können es gut: Zwischen Wasserstoff, schmackhaften Schmankerln aus der Azubi-Genusswerkstatt und Industrie 4.0 pendelnd lernten Jens Brandenburg (FDP), der Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung und Jochen Haußmann, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion und der FDP/FW-Kreistagsfraktion und Landtagsabgeordneter im Wahlkreis Schorndorf, eine Gewerbliche Schule Backnang kennen, „die ganz neue Bildungshöhen in der beruflichen Bildung erklimmt“, staunte Jens Brandenburg nicht schlecht. Der FDP-Mann aus Mannheim lernt in seinem Job ansonsten meistens Unis kennen. Denn Berufsschulen fallen ins Ressort der Länder-Kultusministerien und der Landkreise. Womit die Aufzählung der Haußmann-Funktionen erklärt ist: Er hat im Landtag und im Kreistag unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidungen auf der Berufsschulebene. Jens Brandenburg ist aber trotzdem gefragt: „Die Länder fordern und nehmen gerne Geld vom Bund, aber wir sollen möglichst nicht fragen, was sie damit machen“, beschreibt er das Spannungsfeld zwischen Kultusministerkonferenz und Bundes-Bildungsministerium.
Dr. Isolde Fleuchaus als Leiterin der Gewerblichen Schule Backnang und ihre Rektorenkollegen, Jutta Birmele von der Anna-Haag-Schule für Soziales, Ernährung und Gesundheit und Wolfgang Waigel von der kaufmännischen Eduard-Breuninger-Schule, die mit im Gespräch mit den beiden Abgeordneten sitzen, sitzen mittendrin in diesem Spannungsfeld. Und müssen manches aushalten. Wir können es gut, aber wir könnten es besser, ist ihre Botschaft: Wenn mehr Räume da wären. Wenn die Pädagogen sich auf den Job, die Schülerinnen und Schüler im Leben voranzubringen konzentrieren könnten, statt bildungsbürokratische Arbeiten zu erledigen. Theoretisch „nebenher“ Praktisch in 70 Prozent der Arbeitszeit und „deswegen irgendwann an der Grenze der Leistungsfähigkeit.“ Und mit dem Frustfaktor: „Wir haben von den Daten nichts, weil wir sie nicht nutzen können.“ Datenschutz als Hemmschuh beim Check, wie Bildungskarrieren verlaufen.
Das ist eigentlich ein bejammernswerter Zustand, aber in der Gesprächsrunde in Backnang ausdrücklich kein Grund zum Jammern: Benjamin Wahl, Leiter des Amtes für Schulen, Bildung und Kultur, nimmt Anerkennung für die Rolle entgegen, die der Kreis (nicht nur) für Backnang spielt (in Schorndorf und Waiblingen gibt es auch Berufsschulen): „Der Kreis tut sein Bestes.“
Die Gewerbliche Schule auch, der Stolz darauf ist Rektorin und Lehrkräften beim Rundgang anzusehen und anzumerken: Vor der Tür steht eines der wenigen Wasserstoffautos, die im Rems-Murr-Keis zugelassen sind. „Das fahren wir täglich“, sagt Heribert Ganter, der für die Kfz-Abteilung zuständig ist. Gut, die Autos sind selten, aber nicht ungewöhnlich. „Und hier haben wir ein Wasserstoff-Fahrrad natürlich aus China.“ Was? Kein schwerer Akku, sondern eine leichte Brennstoffzelle, obwohl seitenweise in Zeitungen und Social Media Experten zitiert werden, die an Wasserstoff kein gutes Haar lassen? Einfache Antwort: „Mit Wasserstoff ist das Speicherproblem gelöst, wenn kein Strom gebraucht wird, machen wir aus Wasser Wasserstoff.“ Und damit lassen sich dann eben auch E-Bikes 2.0 betreiben. Die Fachkräfte von morgen lernen so nebenbei, was im Beruf gebraucht wird: „Flexibilität im Denken“. Aha-Erlebnis gefällig?: Wenn der Nachwuchs zum ersten Mal ins HyLab ( = Hydrogen Learning Center Backnang, bundesweit ein Spitzenangebot) kommen fällt in Sachen Auto schon mal die Frage und was für Abgase kommen aus dem Auspuff? „ …dann herrscht Staunen, weil die Antwort ,nur Wasser‘ ist“, grinst Heribert Gantner.
Jens Brandenburg und Jochen Haußmann nehmen aber nicht nur dieses Highlight aus der Forschungsförderung mit. Sie sehen auch, dass Fördermittel und Förderprojekte, die über den Bund laufen, gut angelegt sind in einer Berufsausbildung, die es darauf anlegt, dass nicht nur die Universität der Traum aller jungen Menschen ist. Die Gruppe schneit in einen Klassenraum, in dem gerade eine Meister-Bafög-Klasse sitzt. Das ist keine offizielle Bezeichnung, bezeichnet nur, wie die hier Lernenden (gerade wird die Anwendung eines CAD-Programmes gezeigt) zu ihrem fortgeschrittenen Bildungsabschluss kommen: dank Meister-Bafög. Für manche ist es der nächste Schritt in eine wissenschaftliche Ingenieurskarriere, für andere für den Aufstieg im Kfz- oder Maschinebaubetrieb, in dem sie nach dem Abschluss wieder arbeiten werden. Jens Brandenburg und Jochen Haußmann stellen sich vor, fachsimpeln über den Wechsel aus der Wirtschaft in die Politik: „Wir müssen das machen, damit Leute da sind, die die Wirtschaft kennen.“ Und Jens Brandenburg bekommt am Ende noch eine Bitte mit auf den Weg: „Grüß Olaf.“ „Mach‘ ich“ – es gilt eben nicht nur Bildungsgipfel zu erklimmen, sondern auch die Kommunikation über die erreichten Möglichkeiten zu sichern.
Beim Rundgang dabei waren (v.l.n.r): Heribert Gantner, Ruben Hühnerbein, Jochen Haußmann, Dr. Jens Brandenburg, Dr. Isolde Fleuchaus, Benjamin Wahl, Wolfgang Waigel und Jutta Birmele