Der Rems-Murr-Kreis setzt auf Wasserstoff

Artikel der Backnanger Kreiszeitung vom 13.07.2024

Energiewende vor der Haustür (15) Schon im kommenden Jahr sollen die ersten Wasserstoffbusse im Remstal verkehren und in Waiblingen ihren grünen Kraftstoff tanken. Das sind zwei der Projekte im Rahmen der Wasserstoffstrategie des Kreises.


Von Lorena Greppo


 

REMS-MURR. Wasserstoff soll im Rems-Murr-Kreis zu einem Energieträger der Zukunft werden. Den Grundsatzbeschluss zur Förderung (grüner) Wasserstofftechnologie fasste der Kreistag bereits am 13. Juli 2020. Seitdem sind verschiedene Projekte angestoßen worden.

Wasserstofftankstelle in Waiblingen

Wer ein Fahrzeug mit Wasserstoffantrieb fährt, hat bislang nur wenig Auswahl in Sachen Tankstellen. Im Rems-Murr-Kreis gibt es exakt eine solche H2-Tankstelle, diese befindet sich in Fellbach. Jeweils eine weitere findet sich am Stuttgarter Flughafen und in Wendlingen. In absehbarer Zukunft kommt eine weitere hinzu, im Industriegebiet Ameisenbühl in Waiblingen. Diese entsteht unter Federführung des Kreises. Hier soll regenerativ Energie produziert und gelagert werden. Noch ist die Wasserstofftankstelle nicht gebaut, doch zumindest wurde in der Planung kürzlich ein wichtiger Schritt getan: Das Vergabeverfahren ist in seiner Endphase. Eine Sprecherin des Landratsamts teilt mit: „Am 1. Juli erfolgte die Öffnung der Angebote. Es ist ein verbindliches Angebot für einen Angebotspreis von 11,65 Millionen Euro eingegangen. Es liegt damit unterhalb der Kostenobergrenze von 11,7 Millionen Euro.“ Das Angebot werde nun geprüft und schnellstmöglich solle ein Zuschlag erteilt werden. Unmittelbar im Anschluss kann der Bieter dann mit dem Bau beginnen. Der Bau soll, Stand jetzt, bis 1. April 2025 abgeschlossen sein. Die rechtzeitige Fertigstellung ist insofern wichtig, da sie sich auch auf den Busverkehr auswirkt (siehe nächster Punkt). Ein weiterer Aspekt bei der Vergabe: „Dem Bieter wird vorgeschrieben, dass zertifizierter Grünstrom für die Elektrolyse zu verwenden ist.“ Insofern wird künftig also „grüner“ Wasserstoff in Waiblingen erzeugt.

Linienbündel mit Wasserstoffbussen

Gemäß einer EU-Richtlinie muss der Busverkehr künftig zu einem bestimmten Prozentsatz mit sauberen und emissionsfreien Fahrzeugen betrieben werden. Im Rems-Murr-Kreis soll dies unter anderem erreicht werden, indem beim Busverkehr im Linienbündel zwei, dem Verkehrsraum „Unteres Remstal“, der Einsatz von Brennstoffzellenbussen verbindlich vorgegeben wird. Noch ist die Ausschreibung nicht veröffentlicht, wie eine Anfrage beim Landratsamt ergeben hat. Von dort heißt es: „Das erste Wasserstofflinienbündel wird voraussichtlich zum 1. Juli 2025 in Betrieb gehen.“ Aber: Lohnt es sich für die Busunternehmen, ein solches Unterfangen anzugehen? Hierzu teilt das Landratsamt mit: „Da die Busunternehmen bei einem Bruttovertrag die Kosten vonseiten der öffentlichen Hand ausgeglichen bekommen und wir für die Wasserstofflinienbündel nur Angebote mit Bruttoverkehren erwarten, müssen die Unternehmen nur die initialen Investitionskosten stemmen, welche sie dann umlegen können. Das Land hat Busunternehmen im Rems-Murr-Kreis Fördermittel für die Busbeschaffung in Höhe von knapp neun Millionen Euro zur Verfügung gestellt.“ Nach den aktuellen Planungen kommen voraussichtlich 13 Busse zum Einsatz.

Elektrolyse durch Fotovoltaik

Wasser in seine Elemente Sauerstoff und Wasserstoff zu zerlegen, erfordert viel Energie. Nur wenn diese aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird, kann man von grünem Wasserstoff sprechen. Das möchte man im Rems-Murr-Kreis langfristig auch anderswo umsetzen. Die grüne Elektrolyse soll etwa durch Freiflächenfotovoltaik auf den stillgelegten Deponien Winnenden und Backnang-Steinbach erfolgen. Erst kürzlich wurde mitgeteilt, dass eine Machbarkeitsstudie hierfür vom Land mit 100000 Euro gefördert wird. Mit eingebunden in die Erarbeitung der Studie sind neben dem Landkreis und der AWRM die kommunalen Stadtwerke. Bei einem positiven Ergebnis für das Projekt „H2Depo“ sollen mit dem so gewonnenen Wasserstoff Müllfahrzeuge im Zusammenhang mit der in Backnang betriebenen Vergärungsanlage für Bioabfälle des Landkreises betankt werden. Die Studie diene „als Blaupause für weitere regionale Wasserstoffkonzepte außerhalb des Landkreises“, teilen die Landtagsabgeordneten Ralf Nentwich, Swantje Sperling (beide Grüne) und Siegfried Lorek (CDU) mit.

Murrhardter Wasserstoffmüllauto

Seit etwa einem halben Jahr ist ein wasserstoffbetriebenes Müllfahrzeug bei der Murrhardter Firma Schäf in Betrieb. Dieses werde in Murrhardt, Backnang und Winnenden eingesetzt, heißt es. Aktuell wird für das Fahrzeug die Wasserstofftankstelle in Fellbach in Anspruch genommen. Auf dem Weg zur Abladestelle für Biomüll in Stuttgart-Münster sei das aber kein allzu großer Umweg. Getankt werden können 16 Kilogramm Wasserstoff. Je nach Geländebedingungen reicht eine Tankfüllung für eine Strecke von etwa 150 bis 180 Kilometern. Noch ist das Fahrzeug im Kreis einzigartig, allerdings ist auch der Einsatz von Wasserstoffnutzfahrzeugen in den Straßenmeistereien im Kreis im Gespräch.

Lernwerkstatt in Backnang

Im Januar dieses Jahres öffnete das Hydrogean Learning Center – kurz: „Hylab“ – an der Gewerblichen Schule Backnang seine Türen. Durch diesen Lernort erhalten Schülerinnen und Schüler sowie Besucherinnen und Besucher Einblicke in die wesentlichen Vorteile und Herausforderungen dieser Schlüsseltechnologie. „Eingebettet in die Wasserstoffstrategie des Rems-Murr-Kreises gibt es dort einen interessanten, vielseitigen Lernort (...). Interaktive Exponate und spannende Anwendungsbeispiele aus der Region laden zur weitergehenden Auseinandersetzung mit technologischen und energiepolitischen Problemstellungen ein“, heißt es vonseiten der Kreisverwaltung. Damit werde ein zentraler Beitrag zur Standort- und Zukunftssicherung geleistet. Das Hylab ist Teil eines Energieparcours, zu dem auch der Erlebnisraum mobiles BW der Baden-Württemberg-Stiftung gehört. Seit Eröffnung des Hylab wurden bereits 550 Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, Fachkräfte sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger durch den Showroom geführt, teilt das Landratsamt auf Anfrage mit. Hinzu kommen rund 1000 Teilnehmende bei Führungen durch den Erlebnisraum mobiles BW. „Die Führungen werden in Zusammenarbeit mit dem Förderverein der Gewerblichen Schule Backnang durchgeführt.“

In der zweiten Jahreshälfte 2024 werden die Vorbereitungen für den Um- und Neubau der Kfz-Werkstätten und einer Wasserstoffwerkstatt beginnen. Im Frühjahr 2026 sollen dann alle baulichen Maßnahmen abgeschlossen sein und das Gesamtprojekt soll feierlich eröffnet werden. Die Wasserstofftechnologie soll in den verschiedenen Schularten in Unterrichtseinheiten eingebunden und durch praktische Erfahrungen aus der Lernwerkstatt ergänzt werden.

Weitere Projekte

Bei der Verabschiedung der Wasserstoffstrategie im Kreistag war noch angedacht gewesen, auch die Züge auf der Wieslauftalbahn mit Wasserstoff zu betreiben. Diese Idee ist inzwischen jedoch auf Eis gelegt worden. Stattdessen hat der Rems-Murr-Kreis jüngst neue (gebrauchte) Fahrzeuge mit Verbrennermotor bestellt. Auf dem Areal Hangweide in Kernen im Remstal entsteht zudem unter Beteiligung der Kreisbau ein Wohngebiet, bei dem ein Strom-Wasserstoff-Speicher im Gespräch ist.

 

 

Das wasserstoffbetriebene Müllfahrzeug ist seit einem guten halben Jahr bei der Murrhardter Firma Schäf in Betrieb. Archivfoto: Stefan Bossow

 

 

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