Ein Profi mit dem Metzgerbeil

Artikel der Waiblinger Kreiszeitung vom 25.01.2021

Julian Rupp hat seine Fleischerlehre mit Bestnoten abgeschlossen und ist baden-württembergischer Landessieger


Von Ute Gruber


 

REMS-MURR. Obwohl die meisten Menschen ungern auf Wurst und Fleisch verzichten möchten, gehört der Metzgerberuf nicht zu den Traumberufen bei jungen Leuten: Gerade mal acht Fleischerlehrlinge haben im vergangenen Jahr im Rems-Murr-Kreis ihre Gesellenprüfung gemacht. Im Nachbarkreis Ludwigsburg kommt seit Jahren nicht einmal eine Berufsschulklasse zustande. Dennoch gibt es unter den acht frischgebackenen Gesellen einen, der sich dem Metzgerhandwerk mit Leib und Seele verschrieben hat.

Wenn man mit Julian Rupp spricht, kann man kaum glauben, dass der junge Mann gerade erst 20 Jahre alt geworden ist. Souverän, zielstrebig und selbstbewusst beantwortet er die Fragen nach seinem Werdegang, seinen Überzeugungen und Plänen. In einem Alter, in dem mancher noch auf Identitätssuche ist und versucht, mittels Praktika und Freiwilligendiensten das richtige Berufsbild für sich zu finden, hat der junge Sulzbacher bereits seinen Meisterbrief in der Tasche und hat in der Festtagssaison schon ordentlich mit angepackt in der elterlichen Wurstküche, die er selbst als Genussmanufaktur bezeichnet.

Schon in der Grundschule war der Traumberuf Metzger klar

Und das sehr kompetent, denn Julian Rupp hat nach zwei Jahren Fleischerlehre bei der Metzgerei Schäfer in Weinstadt – mit Lehrzeitverkürzung dank sehr guter Noten – bei der Gesellenprüfung vergangenen Sommer nicht nur den Sonderpreis der Karl-Kaufmann- Stiftung für beste schulische Leistungen an der Gewerblichen Schule Backnang und den Otto-Frey-Preis als überhaupt bester Azubi im Rems-Murr-Kreis gewonnen, als Klassenprimus mit einem Schnitt von 1,0 wurde er von der Fleischerinnung zum Innungssieger, Kammersieger und zuletzt Landessieger ernannt. „Nur in Religion, da hatte ich eine Zwei.“

Hat er viel gebüffelt? „Schon auch, oft halt nachts, nach Schule und Betrieb“, erklärt der ehemalige Realschüler. Es sei ihm aber nicht schwergefallen: „Mich hat das alles einfach unheimlich interessiert.“ Vor allem vor der praktischen Prüfung hätten ihn auch seine Eltern für den letzten Schliff sachkundig unterstützt, denn es ging darum, erst eine sogenannte Rinderpistole, also Keule mit Rücken, sachgerecht auszubeinen und zuzuschneiden, die Teilstücke und auch ihre Verwertung mussten benannt werden: „Aus der Oberschale schneidet man die besten Rouladen, Rolle alias Schwanzstück spickt man am besten mit Speck zum Spickbraten, Tafelspitz ist das gehobene Siedfleisch und so weiter.“

Weiterhin waren eine Brühwurstsorte herzustellen und ein Schwein zu schlachten: „Betäuben, stechen, ausnehmen und davor natürlich heiß brühen zum Entfernen der Borsten.“ Das gehöre nun eben leider auch dazu. Im Engagement der Eltern liegt wohl das Geheimnis der Motivation: Elke Rupp-Holzwarth und Volker Rupp sind beide Fleischermeister mit Leidenschaft und Überzeugung und das schon seit über 30 Jahren und in der vierten Generation.

Julian liegt die Wurstkunst also in den Genen, sie wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt. Druck wurde dabei keiner ausgeübt: „Man muss seine Kinder loslassen“, ist Elke Rupp-Holzwarth überzeugt und „ihr macht das, was euch glücklich macht“ habe sie ihren beiden Söhnen nahegelegt. Zielstrebigkeit, Ehrlichkeit, Selbstständigkeit, Wertschätzung, auch den Mitarbeitern gegenüber, werde im Familienbetrieb vorgelebt. Der ältere, Maximilian, hat sich für ein Studium entschieden.

Für Julian aber war bereits in der Grundschule klar: „Ich will Metzger werden.“ Damals hatten sein großer Bruder und er oft freiwillig und gerne in der Wurstküche geholfen, beim Dosendeckeln und Etikettieren oder Fleischvakuumieren. Auch wenn Feste zu bewirten waren, war natürlich die ganze Familie im Einsatz. „Schon damals hat mich diese Handwerkskunst fasziniert, ein Stück Lebenskraft aus einem lebendigen Tier herzustellen“, erklärt er im Rückblick. Unter den Mitschülern und Freunden stieß das Bekenntnis zum martialischen Beruf nicht auf Ablehnung – unter jungen Landwirten und Mechanikern auf dem Land kann einer ruhig auch Metzger sein. Und die Mädels? „Die haben das bisher auch immer akzeptiert“, stellt Julian fest, der keinen Sinn darin sieht, sich zu verstecken. Im Zweifelsfall sage er erst mal: „Ich arbeite mit Tieren“, meint er verschmitzt.

Am liebsten arbeitet er am Kutter, dieser rotierenden Schüssel, in der die rohen Zutaten für das Wurstbrät nach einem ausgeklügelten Schema zu einer stabilen Emulsion gehackt werden. „Hacken, das ist Chefsache“, habe sein Opa immer gesagt. Denn selbst wenn man sich strikt an das vorgegebene Kutterschema der Zugabe von Fleisch, Fett, Eis, Salz und Gewürzen halte und dabei den korrekten Temperaturverlauf von minus vier bis plus acht Grad beachte, sei das keine Gewähr fürs Gelingen: „Manchmal stimmen eben Theorie und Praxis nicht überein. Dann braucht man handwerkliches Geschick.“ Und er erzählt etwas von Albuminen, Globulinen, Salzlöslichkeit, Wasserlöslichkeit ... in Biochemie hat er offenbar gut aufgepasst. „Wenn man weiß, was da passiert, kann man auch reagieren.“

Im Herbst steht der Bundeswettbewerb an

Als nächste Herausforderung möchte der junge Mann Kurse für Zusatzqualifikationen besuchen: Fleischsommelier, Wurstund Schinkensommelier, Gewürzsommelier will er werden. Professioneller Feinschmecker sozusagen, ähnlich wie beim Wein. Betriebswirt, Ernährungsberater und Grillmeister stehen ebenfalls auf der Agenda. „Das würde mich auch interessieren“, schwärmt seine Mutter, „der amerikanische Fleischzuschnitt zum Beispiel – da gibt es ja kein Siedfleisch.“ Sie gönnt ihrem Sohn die Freiheit, sich die nächsten Jahre in der kulinarischen Welt umzusehen. Kommenden Herbst steht dann der nächste Wettbewerb an: der Bundeswettbewerb zwischen den 16 jungen Landessiegern. „Da müssen wir vielleicht küchenfertige Braten zubereiten oder festliche Platten richten. Da kommt es auch auf die Optik an, schließlich isst das Auge mit!“, freut sich der ehrgeizige Jungmetzger auf die neue Herausforderung in der obersten Liga und hofft, dass Corona ihm keinen Strich durch die schöne Rechnung macht. Und vielleicht geht es anschließend in die Nationalmannschaft.

 

 

Die Arbeit am Kutter ist das Herzstück in einer Metzgerei: „Wenn du einen Beruf gefunden hast, der dir Spaß macht, brauchst du nie wieder arbeiten!“, ist Julian Rupp überzeugt. Foto: privat

 

 

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