Erste Schritte der Wasserstoffstrategie

Artikel der Backnanger Kreiszeitung vom 26.03.2022

Am Backnanger Berufsschulzentrum zelebrierten am Freitag verschiedene Akteure die Mobilität der Zukunft: Schüler stellten nachhaltige Projekte vor, die BW-Landesstiftung eröffnete einen Erlebnisraum und Land, Kreis und Stadt setzten den Spaten für ein Sieben-Millionen-Euro-Projekt


Von Anja La Roche


 

REMS-MURR/BACKNANG. Wie kann unsere Mobilität in Zukunft ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig gestaltet werden? Diese Fragen versuchte die Landesstiftung Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren mit umfangreichen Studien zu beantworten. Und um die Öffentlichkeit über die Ergebnisse zu informieren, gestaltete sie einen mobilen Erlebnisraum, der bereits an verschiedenen Schulen im Land Station machte. Seit Freitag können wissbegierige Backnanger sich freuen, den Erlebnisraum direkt ums Eck zu haben. Die zwei blau lackierten Container stehen nun am Berufsschulzentrum in Backnang, und zwar nicht als Durchgangsstation, sondern längerfristig. Dort kann man sich nun über nachhaltige Mobilität informieren. Jeden Donnerstag und Freitag soll der Erlebnisraum, der auch eine interaktive Karte bereithält, geöffnet sein.

Beim gestrigen Mobilitätstag am Berufsschulzentrum ging es allerdings nicht nur um den Erlebnisraum der Landesstiftung, sondern auch um zwei weitere Projekte, die der Landkreis dort umsetzen will. Neben den Infocontainern soll Anfang 2023 ein Showroom entstehen, der über Wasserstoff als Energieträger informiert. Und bis Anfang 2025 soll zudem eine Wasserstoffwerkstatt gebaut werden, in der Schüler – ergänzend zu der Theorie im Unterricht – praktische Erfahrungen mit dem vielversprechenden Gas sammeln sollen. Ziel des Projekts ist es, die junge Generation an die Zukunftstechnologie heranzuführen und sie dafür zu begeistern. Am gestrigen Eröffnungstag setzte der Landkreis mit den zentralen Partnern des Projekts den Spatenstich für den Showroom und damit das erste Puzzleteil seiner 2020 beschlossenen Wasserstoffstrategie. Es sei daher ein ziemlich großer Tag für die Projektträger, erklärte Melanie Barth, Pressesprecherin des Landkreises.

Das Land unterstützt den Bau der Werkstatt mit knapp drei Millionen Euro

Finanzielle Unterstützung erhält der Landkreis bei diesem Projekt insbesondere vom Land. Der Ministerialdirektor des Landeswirtschaftsministeriums, Michael Kleiner, überreichte bei der gestrigen Veranstaltung feierlich den Überweisungsbetrag von 2,7Millionen Euro, mit dem das Land den Bau der Lernwerkstatt unterstützt. Den restlichen Betrag des Projekts, das knapp sieben Millionen Euro kosten soll, trägt der Landkreis selbst. Die Schulleiterin der Gewerblichen Schule Backnang, Isolde Fleuchaus, bedankte sich herzlich für die Kosten und Mühen von Kreis und Land, die Wasserstofftechnologie für die Schüler erlebbar zu machen.

Im Rahmen des Mobilitätstages haben auch mehrere Schulklassen verschiedene Nachhaltigkeitsprojekte vorgestellt, darunter einen Stand mit Öko-Geschenkpapier. An einem weiteren Stand präsentierten Schüler Modelle, welche im Kleinformat grünen Wasserstoff produzieren und als Energieträger nutzbar machen. Eine Schülerin im Laborkittel erklärte auf Nachfrage mit zwei Sätzen, wie das beispielsweise mit Windkraft gelingt: Wind treibt das Windrad an und der erzeugte Strom wird genutzt, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Der entstandene Wasserstoff wiederum wird in eine Brennstoffzelle geleitet und dort rückverstromt.

Was die Schüler hier bereits im Chemieunterricht gelernt haben, sollen sie in Zukunft weiter vertiefen können mittels des Showrooms und der Lernwerkstatt. „Wir brauchen neue Energien und wir brauchen Experimentierfelder dafür in unseren Klassenzimmern“, sagte Schulleiterin Fleuchaus, und an den Landkreis und die Landesstiftung gerichtet: „Wir Lehrer und Schüler sind alle gespannt, was Sie uns hier mitbringen.“ Der Ministerialdirektor des Landeswirtschaftsministeriums betonte zudem, wie wichtig es sei, die Öffentlichkeit, und besonders junge Menschen, bei dem Wandel der Mobilität mitzunehmen. „Wir brauchen Menschen, die sich für die Technik interessieren und mit ihr arbeiten wollen.“ Fragen könnte man sich hier allerdings, ob das Sieben-Millionen-Euro-Projekt zur Ausbildung von Schülern in Sachen Wasserstoff angebracht ist, oder ob ein verständlicher Unterricht ausreichen würde.

Die Akteure von Land, Kreis und Stadt sind sich beim Wasserstoff einig

Landrat Richard Sigel sieht das Projekt als wichtigen Schritt hin zu einer Wasserstoffinfrastruktur im Kreis: „Ziel ist es, die Anwendungsbereiche für Wasserstoff in Verbindung mit Fotovoltaik immer weiter auszubauen. Der Spatenstich für den Showroom zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind“, sagte Sigel. Auch Oberbürgermeister Maximilian Friedrich zeigte sich optimistisch. Zwar sei Wasserstoff bislang die teuerste Alternative postfossiler Kraftstoffe, doch er möchte das Gas in Backnang weiter fördern – neben weiteren Projekten zu nachhaltiger Mobilität wie einem geplanten Verleihsystem für Fahrräder. „Wasserstoff ist ein Element, das zurecht viel Beachtung findet“, sagte Friedrich. Die Stadt biete sich hierbei als Experimentierfeld für mit Wasserstoff betriebenen öffentlichen Nahverkehr an.

Wasserstoffstrategie im Kreis

  • 2020 hat sich das Landratsamt Rems-Murr klar für eine Förderung der Wasserstofftechnologie ausgesprochen. Die Strategie des Kreises hatte ursprünglich drei Säulen. Die dritte Säule wurde allerdings gestrichen, dafür kam eine vierte Säule hinzu.
  • Die erste Säule: In Waiblingen soll eine Wasserstofftankstelle gebaut werden.
  • Die zweite Säule: die Lernwerkstatt an den Gewerblichen Schulen in Backnang
  • Die dritte Säule: Ursprünglich sollten Wasserstoffzüge für die Wieslauftalbahn angeschafft werden, doch das stellte sich als zu teuer heraus.
  • Zu der vierten Säule zählt der Landkreis weitere Projekte, darunter Wasserstofffahrzeuge für die Straßenmeisterei sowie das von der Kreisbaugruppe geplante Wohnquartier an der Hangweide.

 

 

Backnanger Schüler präsentieren beim Mobilitätstag zu nachhaltiger Mobilität, wie grüner Wasserstoff funktioniert. Foto: A. Becher

 

 

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